Sputnici auf Deutsch

Sputnici – unser kameradschaftlicher Rock´n´Roll
(zum fünfzigjährigen Jubiläum)

Fels und Kipferl machten die graue rote Welt bunter

Sputnici war eine der ersten Rock´n´Roll Gruppierungen in der damals kommunistischen Tschechoslowakei. Sie existierten nur einige Jahre, es war jedoch ausreichend, dass sie zur populärsten Band in Prag mit Tausenden von Fans werden konnten. Sie wurden aber auch zum Riesenproblem für das Regime. Der Staatsapparat war schockiert vom Einbruch dessen, was er als imperialistische und dekadente Kultur, die the American Way of Life propagierte, empfand.
Das sozialistische Paradies basierte ja auf den aus fernen Steppen Russlands importierten Regeln. Die unerwünschte Invasion musste gestoppt werden. Wie uns aber der Verlauf der Geschichte zeigt, Rock´n´Roll was here to stay, verstärkte die allgegenwärtige Sehnsucht nach Freiheit und wurde zu einer wichtigen Komponente der soft power, die den Prozess des Zerfalls des Kommunismus beschleunigte.

Sputnici waren mehr als "nur" eine Band
Über Sputnici wurde viel geschrieben. Sie entwickelten ihre eigene Poetik. Sie sangen weltweite Rock´n´Roll Hits versehen mit ihren eigenen tschechischen Texten. Aber nicht nur das, sie schrieben eigene Songs, ihre eigene Musik. Ihre Konzerte, immer ausverkauft, wurden ergänzt mit Lesungen von Originalkurzgeschichten und wurden meistens im Rahmen eines bestimmten Themenkreises präsentiert, unterstützt durch Sketche. Da der Name Rock´n´Roll ein rotes Tuch für die Behörden war, die die Texte von Sputnici zensurierten und eine Reihe von Veranstaltungen verboten, wurden für die Bezeichnung der Musik verschiedene Namen erfunden, die auch oft als Deckname im Konzerttitel erschienen. Eine der berühmtesten Wortbildungen, mit der Sputnici „den Bolschewisten täuschten“ (Zeitungszitat), war die eigenartige Übersetzung des Namens Rock´n´Roll: Es hieß „Fels und Kipferl“ (Rock=Fels, Roll=Kipferl). Eine andere Bezeichnung für R´n´R war Big Beat, die in der vertschechischten Schreibweise „bigbít“ bis heute allgemein verwendet wird. Sputnici durften keine einzige Schallplatte herausgeben. Einige Aufnahmen wurden im Staatsrundfunk gemacht und in Propagandasendungen Richtung Westen ausgestrahlt um zu zeigen, wie frei das Leben im Osten war. Nach 1968 (Prager Frühling) wurden diese Aufnahmen auf Befehl des ZK der Partei gelöscht. Glücklicherweise blieben Kopien und Amateuraufnahmen von den Auftritten der Gruppe erhalten. Die konnten nun aufgefrischt auf CDs erscheinen.

"Unser" Rock´n´Roll begeisterte alle Generationen
Worin unterschied sich der Rock´n´Roll hinter dem Eisernen Vorhang von dem in der westlichen Welt? Im Osten war es eine Rebellion wie im Westen. Dieser Aufstand der Jugend im Osten richtete sich jedoch in erster Linie gegen das verhasste Regime und war damit im Einklang mit der Generation der Eltern, die die Aktivitäten ihrer Kinder nicht nur duldeten sondern unterstützten. Die Eltern waren nicht schockiert sondern begeistert und stolz. Das Publikum von Sputnici kam zu den Konzerten um zuzuhören, nicht um die Säle zu demolieren. Das Outfit und das Verhalten der Protagonisten war seriös, sie wurden leicht zu Lieblingen auch der älteren Generation. Es waren die Jahre 1959 bis 1962. Der Rock´n´Roll war noch jung…

Auf dem Weg zur Unsterblichkeit
Historiker sind sich einig: Sputnici gehören zu signifikanten Phänomenen der tschechischen Popkultur, und ihre Tätigkeit wird in einschlägiger Literatur beschrieben. Zum fünfzigsten Geburtstag der Gruppe wurde nun eine Rarität präsentiert, die ein großes und positives Echo in den tschechischen Medien und in der Öffentlichkeit hervorgerufen hat:
Vier Gründungsmitglieder der Gruppe haben ein Buch über die Anfänge, den ruhmreichen Aufstieg und den Zerfall der Gruppe zusammen mit 62 Originalaufnahmen auf 2 CDs herausgegeben. Das Buch „Sputnici – náš kamarádský Rock´n´Roll“ (Sputnici – unser kameradschaftlicher Rock´n´Roll) ergänzen Erinnerungen weiterer Mitglieder der Gruppe sowie Photos heute anerkannter Photographen. Einige der Gruppenmitglieder, die ihre Karriere bei Sputnici mit Rock´n´Roll begonnen haben, zählen nun zu den renommiertesten Vertretern der tschechischen Rock- und Jazzszene auch im Ausland. Im September vorigen Jahres traten sie in einem Prager Saal bei der Präsentation des gemeinsamen Werkes und gleichzeitig der Jubiläumsfeier vor etwa 400 meistens grauhaarigen Fans zum ersten Mal nach fast 50 Jahren gemeinsam wieder auf.

Anerkennung und Freude
Während einige Journalisten vor allem die historische, politische Bedeutung von Sputnici hervorhoben (einer der Artikel hieß „Wie Fels und Kipferl am Sturz des Regimes arbeiteten“), sprachen die Fans (oft ausgedrückt in begeisterten E-mails) von der Freude, die ihnen das überraschende Auftauchen der lange versunkenen Komponente ihrer Jugend bereitete. Diese Freude gab einigen sogar die Kraft, aus der durch Schicksalsschläge hervorgerufenen Lethargie aufzuwachen. Ist die Nostalgie die einzige Erklärung für diesen Effekt? Etwa nach Karl Kraus („Was ist die Neunte Symphonie neben einem Gassenhauer, den ein Leierkasten und eine Erinnerung spielen!“)? Vielleicht ist es etwas mehr. Ein jüngerer Journalist, der die Sputnici-Ära nicht erleben konnte, schrieb nach der Präsentation: „Sputnici waren einfach super! Mir ging es wie Jim Hawkins, nachdem er die Schatzinsel entdeckte“. Und ein vielleicht sechzehnjähriges Mädchen sagte jemandem am Handy: „Ich war mir meinen Opa auf der Bühne anschauen. Es war geil!“ Entschuldigung, dass wir mitgehört haben!
                                                                                                                                         Tomislav (Tom) Vasicek
 


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SPUTNICI © Jiří Klíma, 2008